6. Juni 2023

Der Stadtrat von Neustadt hat sich bislang im September 2020 und im Mai 2022 deutlich gegen eine Vereinnahmung des Hambacher Schlosses und Umdeutung des Hambacher Festes von 1832 durch antidemokratische Kräfte positioniert.

Wir sehen mit Sorge, dass sich Neustadt und das Hambacher Schloss seit 2018 zu einer neuen „Pilgerstätte“ demokratiefeindlicher, rechtspopulistischer bis rechtsextremer Strömungen entwickelt. Dem müssen wir als aufrechte Demokrat*innen mit friedlichen und kreativen Mitteln entgegentreten.

Zusammen mit dem Regionalen Bündnis gegen Rechts Neustadt haben Stadtrats- wie auch Parteimitglieder der Grünen, von SPD und der FWG am 28. Mai mit insgesamt 200 Engagierten unserer Stadtgesellschaft einen bunten Protest unterhalb des Schlosses organisiert. Mit der Botschaft „Neustadt bleibt bunt“ haben wir uns zur Demonstration der so genannten „Weißen“ positioniert. Für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen Panikmache und Hetze gegen unsere Demokratie.

Wir begrüßen, dass viele Neustadter*innen ebenfalls ihre Meinung kundgetan haben. Auf dem Weg der weiß gekleideten Menschen von der Festwiese nach Hambach hingen viele farbenfrohe Plakate mit Schloss, Schwarz-Rot-Goldener-Kokarde und der Überschrift „Neustadt bleibt bunt“. In Hambach hingen bunte Kleidungsstücke vom Balkon, weiße Unterhosen mit braunen Streifen, Schilder an Garagen oder in Wingerten mit der Aufschrift „Hambach ist bunt“ oder „Setzt dem weißen Spuk ein Ende“. Wir unterstützen die Entscheidung der Stiftung Hambacher Schloss, zum Jahrestag des Hambacher Festes 1832, mit farbigen Schlossfenstern und einem Banner mit der Aussage „Hambach ist bunt“ ein optisches und klares Zeichen für die Idee des Hambacher Festes zu setzen.

Als engagierte Bürger*innen ist uns die politische Auseinandersetzung mit allen Interessensgruppen wichtig. Allerdings wird durch den Verein „Die Weißen“ weder durch die Demonstration noch durch ihren Online-Auftritt eine konkrete Vorstellung konstruktiver Vorschläge für unsere Gesellschaft präsentiert.

Auffällig war die im Rahmen der Veranstaltung der so genannten. „Weißen“ gewählte Sprache. So wurde zugesagt, dass das Team des Schlosses schon bald „entsorgt“ werde und es war von einer Diktatur sowie vom Staatsterror in Deutschland die Rede. Aus unserer Sicht entfernt sich eine solche Wortwahl, selbst auf einer aufgeheizten politischen Kundgebung, in nicht akzeptabler Weise vom normalen demokratischen Diskurs.

Selbst wenn die Teilnehmenden sich verschiedenen Gruppen zuordnen, muss ihre Veranstaltung auch daran gemessen werden, durch welche Hauptredner sie sich identifiziert. Der Veranstalter hatte hier als Hauptakteure Markus Krall und Michael Ballweg eingeladen. Markus Krall setzt sich für ein Klassenwahlrecht und die Einführung eines Königs mit ausgeprägten Veto-Rechten ein. Eine Position, die sich eindeutig gegen unser Grundgesetz und alle Prinzipien der Hambacher Demokratie-Idee stellt. Michael Ballweg hat durch zahlreiche Aktivitäten auf sich aufmerksam gemacht, seien es Kontakte zur Reichsbürgerszene, zu Verschwörungstheoretikern und anderen Feinden der Demokratie oder durch Finanz- und Steuerskandale.

Wir akzeptieren Kritik an der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Situation und beteiligen uns selbst mit konstruktiven Vorschlägen an der Verbesserung unseres Landes. Aber wir lehnen Hetze, Verschwörungserzählungen, Delegitimierung des Staates, Fakenews und unverantwortliche Vergleiche mit der NS- oder DDR-Diktatur ab, da hiermit systematisch versucht wird, den freiheitlichen Rechtsstaat und unsere repräsentative parlamentarische Demokratie zu delegitimieren.

Wir danken allen mutigen Bürger*innen für ihren kreativen Protest, indem sie klar Farbe für unsere Demokratiestadt bekannt haben. Wir danken der Polizei für ihren meist umsichtigen Einsatz.

Insbesondere als Neustadter*innen leiten wir aus der Geschichte unserer Stadt – die des Hambacher Festes und während der Zeit des Nationalsozialismus – die Verpflichtung ab, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen.

Daher wünschen wir uns für weitere Aufmärsche in den kommenden Jahren ein noch größeres Bündnis mit vielen Vereinen, Verbänden und Institutionen unserer Stadtgesellschaft und darüber hinaus, um mit überwältigender Zahl an bekennenden Demokrat*innen auf dem Schloss den Weißgekleideten zu zeigen, dass sie allein schon zahlenmäßig nicht die „Mitte der Gesellschaft“ repräsentieren. Dieses Bündnis zu initiieren, sehen wir als wichtigen politischen Auftrag für Oberbürgermeister Marc Weigel und den Demokratiebeauftragten der Stadt Neustadt.

An die Stadtverwaltung Neustadt und die Stiftung Hambacher Schloss richten wir die folgenden Forderungen:

  • Das Hambacher Schloss muss eine Begegnungsstätte sein, aber es müssen auch Grenzen der infrastrukturellen Machbarkeit und des politischen Anstands gesetzt werden. So ist das Schloss nicht der richtige Ort für Positionen, die sich gegen unsere Verfassung und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung richten.
  • Veranstaltungen der geordneten politischen Auseinandersetzung (z.B. Diskussionsveranstaltungen, Workshops usw.) sind reinen Kundgebungen vorzuziehen.
  • Das Hambacher Schloss ist ein Lernort und wichtiger Baustein des Tourismuskonzeptes der Stadt Neustadt. Bei der Nutzung des Schlossgeländes für politische Veranstaltungen muss daher immer ein regulärer Besuch des Schlosses und der Ausstellung ohne Störung ermöglicht werden. Auch die Erreichbarkeit – mindestens mit dem ÖPNV – und die Zufahrt für Rettungskräfte müssen stets möglich sein. Es sollten Veranstaltungsformen und -orte für das Schlossgelände gefunden werden, die dies stets gewährleisten.
  • Da alle Wege zum Hambacher Schloss durch ein großes Vogelschutzgebiet führen und Ende Mai mitten in der Vogelbrutzeit liegt, sollte geprüft werden, wie eine andauernde Lärmbelästigung durch Trommeln, Trillerpfeifen und sonstigen lauten Instrumenten verhindert werden kann.

Für die kommenden Jahre werden wir uns in der Stadtgesellschaft und in den politischen Gremien dafür einsetzen, dass an den beiden Tagen des Hambacher Festes (27. und 28. Mai), auf dem Hambacher Schloss ein buntes Demokratiefest gefeiert wird. Beziehungsweise an einem davor oder danach gelegenen Wochenende. Für die künftigen Demokratiefeiern müssen Formen gefunden werden, die den offenen Austausch – ohne Vereinnahmung durch eine Gruppe, insbesondere eine, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt oder verunglimpft – ermöglichen.